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Lichte Saat

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"Betrachten wir das Dasein in seiner Ganzheit!
Wenn wir wirklich tief schauen, erkennen wir das gesamte Universum in einer einzelnen Blume!" *
(das Werbewunder Radio 2015)
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Lichte Saat!


Text zur Ausstellung im März 2016:


Als ich noch ein Kind von höchstens zehn Jahren war, aber schon zu malen begonnen hatte, begegnete ich zum ersten Mal den Urwaldbildern Henri Rousseaus.

In derselben Zeit hörte ich aber auch zum ersten Mal von Jean Jaques Rousseau, und alles was ich damals von dem berühmten Philosophen zu wissen glaubte, war seine Erkenntnis vom "edlen Wilden" und dass der Mensch von Natur aus gut gewesen wäre - bis dann die Zivilisation über ihn gekommen ist.
Naiv wie ich als Kind war, setzte ich die beiden Rousseaus gleich:
Da ich (als Kind) in den Urwaldbildern Henri Rousseaus das verlorene Paradies, aus dem der edle Wilde vertrieben worden war, zu sehen glaubte, glaubte ich (als Kind) diese Urwaldbilder hätte Jean Jaques (nicht Henri) gemalt, um seine Philosophie auch in Bildern auszudrücken, bzw. um seine Ideen seinen Mitmenschen gegenüber zusätzlich zu verdeutlichen.

So dumm diese kindlichen Vorstellungen auch gewesen sein mögen, so habe ich intuitiv auch eine mögliche Wahrheit gesehen: Denn ich sehe als Erwachsene nach wie vor, eine geistige Beziehung zwischen diesen beiden Namensvettern, obwohl sie nicht einmal Zeitgenossen waren – denn wenn Rousseau (Jean Jaques) den Fortschritt, an den die anderen Denker seiner Zeit glaubten eher als Niedergang denn als Vorwärtsstreben der Menschheit betrachtet – eben weg vom "edlen Wilden" , der noch ganz Instinkt gewesen ist - , so sieht Apollinaire in Rousseau (Henri) den Primitiven (edlen Wilden) eines neuen Zeitalters.

Tatsächlich entfernt der industrielle und technische Fortschritt den Menschen von der Natur und damit von sich selbst, denn:
geht man von einer Annahme des Zen aus, wonach der Mensch und die Natur keine getrennten Einheiten darstellen, sondern alles was lebt – Mensch, Tier und Pflanze – eine miteinander verbundene Einheit bildet, von demselben Wollen getrieben, die allem Lebendigen innewohnt und ohne Anfang und ohne Ende von einem Daseinszustand in den nächsten übergeht, dann kann der Mensch sich nicht als eine von der Natur getrennte Existenz betrachten ohne Schaden zu nehmen.

Im Versuchen sich selbst (wieder) zu finden, kann der Mensch bzw. der Künstler oder die Künstlerin die Naturbeobachtung daher zu Hilfe nehmen.

Doch ist es nicht egal wie man sich diesem Thema annähert.

Das Lebendige untersuchen, indem man es zergliedert, heißt es töten.

Wenn alles Leben – Mensch, Tier und Pflanze – von derselben Energie getrieben wird – so ist alles Leben in ständiger Bewegung – ein Daseinszustand geht in den Nächsten über – eine ununterbrochene Kette – am besten kann man diese ständigen Übergänge in der Pflanze beobachten:

Ausgehend von der Saat keimt sie (die Pflanze) rasch und wächst zum Licht empor, stirbt dann zum Schein, denn sie geht doch wieder ein in eine neue lichte Saat, aus der wiederum Leben entspringt – es gibt keinen Anfang und kein Ende, nur den Zyklus der Jahreszeiten, der das Leben der Pflanze bestimmt.

Der Mensch unterliegt demselben ewigen Kreislauf, doch ist dieser bei ihm nicht so augenscheinlich wie der Zyklus der Pflanze bzw. Blume.
Wenn ich eine Pflanze malen will, so werde ich sie nicht ausreißen und damit zerstören, sondern muss mich zur Blume begeben und Zeit mit ihr verbringen, sie nur schauen – in einem rein intuitiven Vorgehen, um zu erkennen, dass ich eins mit der Pflanze bin und immer war.
Setze ich mich etwa morgens vor einen blühenden Strauch und beginne zu malen, unterbreche ich dann nach einer Weile diese Arbeit für einen längeren Zeitraum und komme zu einem späteren Zeitpunkt zu den Blüten zurück, um weiter zu malen, und wiederhole ich diese Arbeitsweise bis zu den Abendstunden, so werde ich im Idealfall wahrnehmen, wie die Blüten sich ständig – in Richtung des sich verändernden Lichtes – zum Leben hin – bewegen und sich in kleinsten Schritten verändern (Öffnen und Schließen).

Diese Malweise ist ein fast meditativer Prozess, der - wenn er gelingt - in einem Bild endet, das verschiedene Daseinszustände einer Blüte in einem Bild vereinigt, ohne dass dies für den Betrachter des Bildes sofort augenscheinlich ist.

In dieser Weise arbeite ich häufig an Blütenportraits.

Gleichzeitig male ich auch Wildnisse, also Zusammenstellungen mehrerer Pflanzen – auf der Suche nach dem Ursprung – dem Chaos (Instinkt), dem alles zugrunde liegt – oder dem verlorenen Paradies.

Indem ich die Blume schaue - mich in die Blume hineinversetze – die Blume bin – kann ich mich möglicherweise individuell einem Verstehen des ewigen Werdens, dem ich und alle Menschen unterliegen annähern.

Das ist nur einer von vielen Wegen, die möglich sind.

Die Bilder, die ich nun ausstelle sind vor allem in den Jahren 2012 bis 2014 entstanden.

Ich habe in diesem Zeitraum Dinge aus dem Wald genommen, wo ich welche fand – oder auch aus der näheren Umgebung – Dinge wie Rinden, Schwämme, aufgebrochene und seit langem leere Schneckenschalen, die interessante und schöne Strukturen aufweisen und vor allem tote Insekten im Spätherbst (deren kleinformatige Zeichnungen ich auch zeigen möchte) – diese Dinge und die lebenden Pflanzen waren meine Motive.


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Zitat:

* Auszug aus dem Radio- Werbespot "Tief Schauen" im Rahmen der Kampagne "Werbewunder Radio 2015" - erstmals von mir gehört 2015 auf FM 4 -
nachzuhören auf http://www.rms-austria.at/erfolg-mit-audio/gattungskampagne/werbe-wunder-radio-2015